Bochum 700 Jahre Stadtrechte und die Rolle der Frauen

Aus der Gemeinde

30.08.2021

Die Verleihung der Stadtrechte an Bochum durch Graf Engelbert II. wird in diesem Jahr -trotz der Coronapandemie- besonders gefeiert. Dazu stellt sich mir die Frage, welchen Anteil eigentlich Frauen an der Entwicklung unserer Stadt hatten. Gräfin Imma von Stiepel, als bekannteste historische Person, war nicht beteiligt, denn sie hat schon vor über 1000 Jahren gelebt. 

Auch sonst finden sich bis vor etwa 150 Jahren kaum Hinweise für die Mitwirkung von Frauen an der Stadtgeschichte. Wenn Frauen erwähnt werden, sind es adlige Damen als Wohltäterinnen. Die Stadt Bochum nennt folgende Beispiele bedeutender historischer Frauen:

1475 schenkte Lyse van Elvervelde der Kirche in Bochum das Rotland im Hiltroper Feld und eine Kornrente vom Gut Idewinkel-Krawinkel. Die dazu gegründete „Salve-Regina-Stiftung“ bestand  462 Jahre!

1568 bedenkt die „thugentsame Agnes Sprinkhorum“ nicht nur Freunde und Verwandte, sondern  gibt 100 Taler ans „Gasthaus“ zu Bochum. Das war eine 130 Jahre vorher geschaffene Einrichtung für Arme und Kranke. Agnes Sprinkhorum starb schon mit 27 Jahren .

1592 stiftete Margarethe von Sevenaer, verheiratet mit Georg von Schell zu Rechen – aus der späteren Gemarkung Wiemelhausen – 300 Taler zu Gunsten von sog. Hausarmen des Kirchspiels Bochum. 

1598 bedachte Elisabeth von Havkenscheidt im Testament Arme und „fromme Dienstmägde“, aber auch erstmals gleichmäßig Studenten aus Dortmund und in Bochum. Sie war Witwe von der Leithen, lebte lange auf Haus Laer, bevor sie nach Dortmund wechselte. Mit dem Testament verteilte sie 10.000 Goldgulden “eine ungeheure Summe,  fast die Hälfte der damaligen jährlichen Steuereinnahmen der gesamten Grafschaf Mark“ schreibt die Stadt Bochum. Die Stiftung der Elisabeth von Havkenscheid bestand bis ins 19. Jahrhundert .

Diese wenigen Nennungen erklären sich durch die damalige klassische Rollenverteilung, die Frauen für Heim, Herd und Kinder vorsah und ihnen den Weg zur Politik oder in Ämter grundsätzlich versperrte. Zu zwei wesentlichen Veränderungen kam es 1919: Es wird die allgemeine Schulpflicht für Mädchen und Knaben in Deutschland eingeführt! Die Nationalversammlung beschließt in Berlin, dass Frauen erstmals reichsweit wählen durften und auch gewählt werden können!

Vorher war der Zugang zur Bildung für Frauen steinig und ein Abitur im 19. Jhdt. noch nicht möglich. So gründete Henriette von Noèl in Bochum die „Katholische höhere Töchterschule“, heute noch als Hildegardisschule am Stadtpark zu finden. Gertrud Hahn machte als eines der ersten Mädchen 1911 ihr Abitur in Bochum. Trotz Studium in Oxfort fand sie keine Anstellung und betreute 40 Jahre das Archiv ihrer Vorfahren im Haus Laer. 

Schon vor Einführung der Schulpflicht für alle Kinder und des Wahlrechts der Frauen gab es mit der einsetzenden Industrialisierung starke Frauen, die durch besondere Leistungen bekannt geworden sind. Ich beginne mit Elisabeth Eickhoff, die nie das Schreiben und Lesen lernte. Nach zwei Pleiten seiner Eisengießerei unternahm Carl Eickhoff einen dritten Versuch. Als er kurz darauf starb, übernahm seine Frau Elisabeth die Firma 1860 und führte sie erfolgreich so lange weiter, bis die Söhne einsteigen konnten! Inzwischen besteht Eickhoff seit über 150 Jahren.

1873 kaufte Louise Heintzmann dem Unternehmer Korte seinen Anteil an der „Bochumer Eisenhütte“ ab. Als ihr Mann Egmont Heintzmann im gleichen Jahr starb, leitete sie die Firma langjährig weiter. Ab 1935 trat mit Margot von Linsingen wieder eine Frau an die Spitze und wirkte für 35 Jahre – auch mit großem sozialen Engagement – sehr erfolgreich. Eben-falls wird Hedwig Baare, geborene Heintzmann, als Frau des Generaldirektors Fritz Baare für ein vielseitiges soziales Engagement gelobt.

Martha Günther war ab 1914 die Chefin im Stadtparkrestaurant und  leitete die Gute Stube von Bochum von 1930 an für 26 Jahre allein.

Im Jahr des Wiederaufstiegs vom VfL Bochum 1848 in die 1. Liga darf natürlich der Fußball nicht fehlen. Elisabeth Treskow, die in Bochum geborene Goldschmiedin und Kunstprofessorin, gestaltete 1903 für den Deutschen Fußallbund die seitdem jährlich zu vergebende Meisterschale.  Als Ergebnis ist festzuhalten, dass viele Frauen sehr erfolgreich für unsere Stadt gewirkt haben, bis hin zur Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz. Leider reicht der Platz nicht aus, hier alle bedeutenden Damen zu nennen.

Reinhard Gülle