Zwei Orte, zwei Ausstellungen

Kultur

22.11.2021

Das Thema der Mittagskirche „Wie wollen wir leben“ korrespondiert mit dem Anliegen des Digitalen Museums, das wir zu Beginn des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 auf der Homepage der Gemeinde eingerichtet haben. Ich schrieb damals: „Die gegenwärtige Situation verbindet Menschen rund um den Globus in einer Weise, wie es uns neu erscheint.

Eigentlich war es immer schon so; denn solange wir Menschen leben, leben wir auf diesem Planeten, in dieser einen Welt. Trotzdem wird uns die Verletzlichkeit unseres Lebensraums in diesen Tagen weltweit unmittelbarer bewusst als vielleicht jemals zuvor. Rund um den Globus machen Menschen ähnliche Erfahrungen, Erfahrungen der Isolation und Angst, der Überforderung.

Aus diesem Grunde haben wir Künstlerinnen und Künstler aus vielen Ländern der Welt gebeten, uns Kunstwerke für ein digitales Museum auf der Homepage unserer Gemeinde zur Verfügung zu stellen. Die Bilder drücken etwas aus, zu dem uns Worte fehlen mögen. Sie mögen stellvertretend unsere Gefühle ausdrücken, unser Denken anregen und Anlass zum Gespräch sein. Diese Ausstellung ist ein kleiner Schritt zum Teilen gemeinsamer Erfahrung.“ 

Aus diesen Überlegungen heraus habe ich dem Mittagskirchenteam schon im Herbst 2020 vorgeschlagen, die Eingangssequenz der Mittagskirche im Spätsommer 2021 mit einer Ausstellung zu begleiten und diese in Kooperation mit den Museum Bochum zu realisieren. Im Frühjahr 2020 fanden erste Gespräche mit dem stellvertretenden Museumsleiter Sepp Hiekisch-Picard statt. Daraus entwickelte sich schnell ein Konzept und schließlich der Kontakt zu dem Bochumer Künstler Horst-Dieter Gölzenleuchter.  Die Ausstellung zeigte in der Melanchthonkirche Arbeiten aus den vergangenen 30 Jahren. Eine Art politisches Tagebuch. Von Holzschnitten, die aus der Begegnung mit afrikanischer Kunst  bis hin zu Werken, die 2020/21 während der Pandemie entstanden sind. Bemerkenswert, was durch die Kunst mit dem gewohnten Raumeindruck geschieht.  Im Altarraum zeigten wir Bilder aus dem Jahr 2015 zum Thema Flucht. Sie stellen die Frage: „Wohin?“ Es wurde deutlich, dass der Weg durch die Kirche hindurch zum Altarraum im Grunde eine Sackgasse ist. Wie geht es weiter jenseits der Mauern, die wir errichten? Wohin führen unsere Wege? 

Im Baumhofzentrum waren unterdessen Arbeiten der Künsterlerinnen Helia Dalvand (Ölgemälde) und Silke Kasnitz (Skulpturen) zu sehen. Die Arbeiten beider Künstlerinnen traten in einen überraschenden Dialog. Dabei ging es im Spiegel von Landschaften und menschlichen Gesichtern im Sichtbaren um das, was sich darin erst noch zeigen mag und das, was vielleicht auch verloren ging, wenn Menschen am Sehen, am Reden gehindert werden. Es ging um Gesichter, die in und hinter Landschaften aufscheinen, steinerne Skulpturen, die das Gesicht, das im Prozess der Bearbeitung, aus ihm hervortreten wird, schon enthalten und es zugleich verbergen. 

Es lag mir daran die beiden Räume, die Melanchthonkirche und das Baumhofzentrum als Orte der Begegnung mit Kunst zum Leuchten zu bringen. Die Begegnung mit Kunst stellt eine Möglichkeit dar, innezuhalten und sich im Gegenüber zum Kunstwerk seiner selbst zu vergewissern. Und auch im digitalen Raum sind in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit dem Museum Bochum auch im Rahmen der Fingerhutkirche drei Kunstbegegnungen entstanden, die uns ins Museum führen und zugleich raumüberschreitend das Kunstwerk aus den Mauern der Museums herausholt und in den Raum der Stadt stellt. Diese Filme kann man auf Youtube abrufen.

Martin Röttger