Ein paar Gedanken zu Ostern

Aus der Gemeinde

11.04.2020

In diesem Jahr ist Ostern anders. Die Glocken werden läuten, alle vier Glocken – festlich wird es klingen – und eigentlich ist dann alles so wie immer. Der Wetterbericht sagt, dass zu Ostern die Sonne scheinen soll. Das lädt zum Osterspaziergang ein. Es ist so wie immer. Wir können nicht zum Gottesdienst in die Kirche gehen. Es ist nicht so wie immer. Das morgendliche, das österliche Licht steht dafür, dass das Dunkel der Nacht vorbei ist. Dass alles in einem neuen Licht erscheinen darf. In der dunklen Kirche haben wir Jahr für Jahr die Osterkerze angezündet und dann das Licht in die Bänke ausgebreitet. In diesem Jahr wird das nicht geschehen. Es ist anders in diesem Jahr. Und trotzdem ist Ostern – vielleicht mehr als je.

Ostern ist die Überwindung des Todes durch die Kraft der Auferstehung. Dass wir uns gerade jetzt daran wieder und wieder erinnern lassen, haben wir nötig in diesen Tagen. Die Überwindung von Tod und Leid. Wir entdecken, wie verletzlich das Leben auf diesem Planeten ist, wie verletzlich wir selbst.

Die Türen der Kirche waren jetzt Sonntag für Sonntag verschlossen. Verschlossen wie das Grab Jesu. Da hatten sie einen Stein vorgewälzt, um dem Tod einen Riegel vorzuschieben. Die Jünger waren am Ostersonntag zuhause geblieben, hinter verschlossenen Türen. Kein Wunder; denn sie wussten ja nicht, dass dieser Tag anders war als alle Tage. Nur die Frauen sind trotzdem herausgegangen zum Grab. Aber, was gab es da schon zu sehen? Sie wussten doch: Nichts war in Ordnung, seit er tot war. Welche Hoffnung trieb sie? Das kann doch nicht wahr sein, dass da einfach nur die verschlossenen Türen sind. Sie wollten hinein. Dem Toten die letzte Ehre erweisen. Eine allerletzte.

Aber dann entdeckten sie, dass da gar kein Stein mehr war. Das Grab leer war. Leer wie die Kirchen an diesem Ostermorgen. Niemand da. Kein Jesus. Kein Gott. Die Grabhöhle war leer. Und gerade das ist dann zu einem Zeichen der Hoffnung geworden. Christus ist auferstanden!

Aber das wagten sie gar nicht zu sagen. Das ging ihnen wohl erst im Nachhinein auf, als sie schon auf dem Rückweg waren. So ist das manchmal, dass es uns erst nachher deutlich wird, was eigentlich geschehen ist. Die Türen der Kirche sind verschlossen in diesen Tagen. Mag sein, dass es so wie damals ist, dass es sich trotzdem lohnt zu kommen. Vorsichtig und mit Abstand, jede und jeder für sich. Wie die Frauen damals.
Wir gehen unseren eigenen Weg durchs Leben. Wir sind einsam vom ersten Atemzug an. Da war niemand, der uns erklärt hat, wie das geht mit dem ersten Atemzug. Es lag keine Gebrauchsanweisung dabei. Aber irgendwie ging es dann doch, wenn auch mit einem Schrei. Und so ging es dann auch weiter durch das Leben. Tastend bewegen wir uns fort. Fahren auf Sicht. Vielleicht gibt es noch etwas zu entdecken. Auch heute. Und sei es, dass ein leeres Grab, eine leere Kirche ein tröstlicher Ort sein kann.

So soll es sein: Wir werden die Melanchthonkirche öffnen an diesem Morgen – ab 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr. Kleine Osterkerzen wollen wir am Ostersonntag verteilen, um damit Licht in die Einsamkeit zu tragen. Das kann sich jede und jeder mitnehmen und dabei dann doch entdecken: Ich bin gar nicht allein. Da brennen jetzt auch, hier und da, andere Kerzen. Diese Lichter verbinden uns. Da ist Leben. Ich atme und da atmen andere neben mir und mit mir. Mitatmende heißt im Persischen der oder die Geliebte. So ist das wohl und so war es schon immer, solange es Leben auf diesem Planeten gibt. Auch da, wo Türen verschlossen sind und Kirchen leer, müssen unsere Herzen nicht leer und verschlossen sein. Da ist der Ort der Auferstehung. Christus ist auferstanden.

Ihr Martin Röttger